Themenvorschlag

DigitalPakt Alter: 100 Erfahrungsorte begleiten ältere Menschen beim Erwerb digitaler Kompetenzen

Vor 52 Jahren wurde die erste Nachricht über das Internet verschickt. Daran erinnert der Welt-Internet-Tag am 29. Oktober.
29.10.2021

Das Internet verbindet – nicht alle. Vor 52 Jahren wurde die erste Nachricht über das Internet verschickt. Daran erinnert der Welt-Internet-Tag am 29. Oktober. Doch auch ein halbes Jahrhundert später profitieren noch längst nicht alle von den Möglichkeiten der digitalen Kommunikation. In Deutschland nutzen aktuell 8,5 Millionen Menschen das Internet nie, wie der D21-Digitalindex 2020/2021 zeigt. Knapp drei Viertel (72 Prozent) der sogenannten „Offliner“ sind älter als 65 Jahre. In einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft dürfen Ältere aber nicht ausgeschlossen werden. Um die digitale Teilhabe auch älteren Menschen zu ermöglichen, bedarf es zum einen breiterer Zugangsmöglichkeiten und inklusiver Technologien. Zum anderen gilt es, die älteren Generationen an diesem Wandel aktiv zu beteiligen. So gibt knapp ein Viertel derjenigen, die noch nicht das Internet nutzen (23 Prozent), an, dass eine Begleitung bei den ersten Schritten im Netz sie motivieren würde, online zu gehen. Unterstützung vor Ort bieten 100 Erfahrungsorte, die der DigitalPakt Alter mit insgesamt 300.000 Euro fördert. Die Initiative der BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen und des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) stärkt damit lokale Anlaufpunkte für ältere Menschen, um digitale Kompetenzen aufzubauen. Niedrigschwellige Angebote wie Smartphone-Kurse oder Beratungen zur digitalen Gesundheitsvorsorge ermöglichen es Seniorinnen und Senioren bundesweit, sich mit digitalen Technologien vertraut zu machen.

Eine Fahrradrikscha mit eingebautem Tablet bringt älteren Menschen das nordrhein-westfälische Herford näher. Die Passagiere können Musik oder Erläuterungen zu den Orten abspielen, an denen sie vorbeikommen. In einer Seniorenbegegnungsstätte im baden-württembergischen Heroldstatt entsteht ein Erfahrungsort für Smart-Home-Anwendungen. Und in Schweinfurt, Bayern, setzt der Kurs „Fit mit dem Handy“ einen Schwerpunkt auf gesundheitliche Bildung mithilfe des Smartphones. Diese drei Angebote zeigen beispielhaft die Vielfalt digitaler Nutzungsmöglichkeiten im Alter. Die Erfahrungsorte machen Angebote in den Lebensbereichen Wohnen, Mobilität, soziale Integration, Gesundheit und Pflege sowie Sozialraum, in denen laut dem Achten Altersbericht der Bundesregierung digitale Kompetenzen die Selbstbestimmung bis ins hohe Alter verbessern können.

Digitale Teilhabe stärkt Wohlbefinden und Selbstbestimmung

„Wer im Alter aufgeschlossen bleibt und Neues lernt, kann damit die eigene Selbstständigkeit und Selbstbestimmung erhalten, mit anderen im Austausch sein und das persönliche Wohlbefinden stärken“, sagt die Sozialgerontologin Dr. Janina Stiel, Projektleiterin der BAGSO-Servicestelle „Digitalisierung und Bildung für ältere Menschen“. Das Alter an sich ist im Übrigen nicht der Grund, warum Menschen digital abgehängt werden. Entscheidend ist, wie viel Erfahrungen mit neueren Technologien Personen im Lebensverlauf machen konnten. Dies führt zu einer „digitalen Kluft“ innerhalb der älteren Bevölkerung. Insbesondere Menschen mit niedrigem Einkommen, mit geringer formaler Bildung, Alleinlebende, Frauen sowie Menschen, die in ländlichen Gebieten wohnen, sind deshalb häufiger digital ausgeschlossen. „Umso wichtiger ist es, passgenaue niedrigschwellige Bildungsmöglichkeiten für den Erwerb digitaler Kompetenzen zu schaffen“, so Dr. Janina Stiel. „Es ist ein gesellschaftliches Problem, dass immer mehr Informationen und Dienstleistungen nur noch online verfügbar sind, Millionen Menschen aber keinen Zugang dazu haben.“

Erfahrungsorte als dauerhaft verlässliche Anlaufstellen

Wichtig ist Stiel zu betonen, dass es gelte, Brücken zu bauen und einzuladen. Der Schritt ins Internet jedoch müsse freiwillig bleiben. Wer nicht mit dem Internet umgehen möchte oder kann, findet in den Erfahrungsorten kundige Helferinnen und Helfer, die bei Online-Aktivitäten unterstützen. Ziel ist es, das Netz der Erfahrungsorte weiter auszubauen, so dass mittelfristig jede Kommune über eine Anlaufstelle zu digitalen Fragen älterer Menschen verfügt. „Viele Ältere investieren erst in Geräte oder Verträge, wenn sie sicher sind, dass sie sich auch nach den ersten Schritten an jemanden wenden können, wenn sie nicht weiterkommen“, ergänzt Prof. Dr. Herbert Kubicek von der Stiftung Digitale Chancen. „Für diejenigen, die keine Verwandten oder Bekannten um Hilfe bitten können, müssen die Erfahrungsorte auf Dauer als verlässliche Anlaufstellen fungieren.“

Hintergrund DigitalPakt Alter

Der DigitalPakt Alter ist eine Initiative vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und der BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen. Ein breites Bündnis aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft setzt sich im Rahmen des DigitalPakt Alter für die digitale Teilhabe Älterer in der Gesellschaft ein. Ziel ist es, den flächendeckenden Ausbau einer digitalen Infrastruktur zu stärken sowie inklusive Technologien weiter auszubauen. Darüber hinaus sollen ältere Menschen niedrigschwellige Angebote erhalten, vor Ort digitale Kompetenzen zu erwerben. Die Initiative setzt sich dafür ein, bestehende Angebote sichtbar zu machen und zu fördern. Darüber hinaus prämiert der DigitalPakt Alter Unternehmen, die sich mit ihren Produkten oder Dienstleistungen in besonderem Maße für die digitale Teilhabe älterer Menschen engagieren.

Expertinnen und Experten für Interviewanfragen zum Thema

Dr. Janina Stiel, Projektleiterin der BAGSO-Servicestelle „Digitalisierung und Bildung für ältere Menschen“
Spezialthema: Geragogik - Bildung im Alter, Technik- und Medienkompetenz älterer Menschen, Aufbau von Bildungsstrukturen vor Ort

Janina Stiel, Jahrgang 1984, studierte Erwachsenenbildung und promovierte 2021 zum Thema „Alter(n)sgerechte Quartiersentwicklung unter Beachtung der Heterogenität des Alters“. Sie widmet sich verstärkt den Themen Bildung im Alter und digitaler Kompetenzerwerb. Mit Renate Schramek veröffentlichte sie 2020 eine Expertise zum Achten Altersbericht „Förderung von Technik- und Medienkompetenz älterer Menschen aus der Perspektive der Geragogik“. Darüber hinaus verantwortet sie das Internetportal www.wissensdurstig.de, welches Engagierte, Ältere sowie Expertinnen und Experten über Möglichkeiten der Bildung im Alter informiert und 32.000 Bildungsangebote für Ältere bereithält.

Prof. Dr. Herbert Kubicek, Gründer der Stiftung Digitale Chancen und Senior Researcher am Institut für Informationsmanagement Bremen (ifib) an der Universität Bremen
Spezialgebiet: Unterstützungsangebote bei der Nutzung digitaler Medien für ältere Menschen mit unterschiedlichen geistigen, körperlichen und finanziellen Ressourcen

Herbert Kubicek, Jahrgang 1946, war bis zu seiner Pensionierung 2011 Professor für Angewandte Informatik an der Universität Bremen. Von 1996 bis 1998 beschäftigte er sich als Mitglied in der Enquete-Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft“ des Deutschen Bundestags mit der Digitalen Spaltung. 2002 rief er gemeinsam mit Jutta Croll die Stiftung Digitale Chancen ins Leben. Mit Barbara Lippa veröffentlichte er 2017 das Buch „Nutzen und Nutzung des Internets im Alter“, in dem die Erkenntnisse aus dem Projekt Digital Mobil im Alter zusammengefasst sind, in dem 300 Seniorinnen und Senioren in 30 Wohn- und Pflegeeinrichtungen drei Monate Erfahrungen mit geliehenen Tablets machen konnten. Aktuell begleitet er das vom Bundesministerium des Innern (BMI) geförderte Projekt „Netzwerk Digitalambulanzen Bremen und Bremerhaven“.