Digitalisierung und Bibliotheken - Im Gespräch mit Holger Krimmer
Am 04.04.2025 findet die Nacht der Bibliotheken statt. Unter dem Motto „Wissen. Teilen. Entdecken.“ werden Bibliotheken in ganz Deutschland ihre Türen öffnen. Mit einem bunten Programm an Veranstaltungen, Workshops, Lesungen und Führungen laden sie alle Bürger*innen ein, die Bibliotheken vor Ort neu zu entdecken. Auch das Thema Digitalisierung steht bei zahlreichen Angeboten im Mittelpunkt.
Wir haben vorab mit Dr. Holger Krimmer, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Bibliotheksverband e.V., gesprochen.
Alles wird digitaler, insbesondere auch wie Menschen sich Informationen beschaffen – wo sehen Sie die Position der Bibliotheken?
Dr. Holger Krimmer: Bibliotheken sind stets mit den Entwicklungen der Digitalisierung mitgegangen: Bücher können heute digital ausgeliehen, gelesen und zurückgegeben werden. Bibliotheksausweise können digital beantragt und bezahlt werden. Zeitungen und Filme können über die Bibliothekswebseiten gelesen und gestreamt werden. Und viele Forschungsdaten werden Forschenden und Wissenschaftler*innen Open Access und digital zur Verfügung gestellt. Was mit der Retrodigitalisierung ihrer wertvollen Bestände bereits Ende der 1990er Jahre begonnen hat, verändert heute alle Abläufe und Angebote der Bibliotheken. Wissenschaftliche Bibliotheken unterstützen mit neuen Dienstleistungen eine neue Art des wissenschaftlichen Arbeitens, Öffentliche Bibliotheken leisten durch ihre vielfältigen digitalen Angebote einen wichtigen Beitrag zur digitalen Teilhabe der Bevölkerung.
Was können Bibliotheken in Zeiten von Falschinformationen bewirken?
Krimmer: Mit ihrer Arbeit im Bereich der Medien- und Informationskompetenz leisten Bibliotheken einen zentralen Beitrag zum Zugang zu Informationen, Teilhabe und damit zu unserer Demokratie. Denn Informations- und Medienkompetenz sind Schlüsselqualifikation der modernen Informationsgesellschaft. Sie sind von grundlegender Bedeutung für den Erfolg in Schule, Studium, Forschung und Beruf. Das erfordert zum einen die Kompetenz, die sich wandelnden digitalen Infrastrukturen zu bedienen, zum anderen, Informationen einzuordnen und bewerten zu können. Mit ihren Angeboten und kostenlosen Beratungen ermöglichen Bibliotheken nicht nur den Zugang zu digitalen und analogen Medien, sondern unterstützen auch bei der Einordnung von Nachrichten, bei der Beurteilung von Quellen oder dem Erkennen von Falschinformationen. Die wissenschaftliche Bibliotheken tragen zudem zu unabhängigem und faktenbasiertem Wissen und gesicherten Erkenntnissen als Grundlage für die Meinungsbildung bei und unterstützen damit Forschung, Wissenschaft und Lehre.
Viele haben Bibliotheken als stille Orte im Kopf, in der „Nacht der Bibliotheken“ sind sie aber Orte des Austausches. Wie passt das zusammen?
Krimmer: Bibliotheken haben sich in den letzten Jahrzehnten enorm verändert. Neben Stillarbeitsplätzen gibt es heute vor allem Raum für Diskussion, es gibt Maker Spaces um kreativ zu werden, Gaming-Ecken für Jugendliche, Leseclubs für Literaturbegeisterte und Smart-Phone-Sprechstunden für Senior*innen. Diese Vielfalt wollen wir bei der ersten bundesweiten Nacht der Bibliotheken am 4. April 2025 sichtbar machen.
Initiativen und Projekte suchen häufig nach Räumlichkeiten, in denen sie sich treffen und den Umgang mit dem Smartphone üben können – wären hier nicht Bibliotheken eine ideale Lösung/werden Bibliotheken auch für solche Zwecke genutzt?
Krimmer: Ja, sehr viele Bibliotheken bieten bereits seit Jahren sogenannte Smartphone-Sprechstunden vor allem für Senior*innen an. Bibliotheksmitarbeitende erklären die Hardware und die Nutzung von verschiedenen Apps, so dass auch ältere Menschen in der Lage sind, sich in der digitalen Welt zurechtzufinden. Gleiches gilt aber natürlich auch für die Kinder. Die zahlreichen medienpädagogischen Angebote in Bibliotheken unterstützen Familien und ihre Kinder beim Umgang und der Nutzung z.B. von Apps.
Was wünschen Sie sich für die Entwicklung der Bibliotheken? Wie sehen Bibliotheken in 10 Jahren aus?
Krimmer: Wir wünschen uns, dass sich die Bibliotheken für die Menschen und ihre Bedarfe und Interessen stetig weiterentwickeln können. In diese bestehenden Infrastrukturen, die offen sind für alle Generationen und Milieus, muss investiert werden, personell und finanziell. Nur so schaffen wir wirkliche Bildungsgerechtigkeit auch jenseits der schulischen Bildung.